Die Abkürzung ADHS steht für Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung. Dabei handelt es sich gemäß der ICD-11 Klassifikation der WHO um eine neuronale Entwicklungsstörung, die bei ca. 5 % aller Kinder und Jugendlichen auftritt. Bei Erwachsenen geht man nach aktuellem Stand von einer Verbreitung von ca. 2,5 % aus. ADHS weist drei Kernsymptome auf: Unaufmerksamkeit, Hyperaktivität und Impulsivität.
Entgegen der landläufigen Meinung, typisch für ADHS sei die Hyperaktivität und Impulsivität, unterscheidet die neue ICD-11 Klassifikation drei Erscheinungsformen der ADHS:
- Überwiegend unaufmerksame ADHS: Diese Form zeichnet sich insbesondere durch Konzentrationsschwierigkeiten, Vergesslichkeit und leichte Ablenkbarkeit aus. Auch Schwierigkeiten in der Alltagsorganisation sind bei diesem Typ im Vordergrund. Da die Symptome häufig als Verträumtheit und Zurückhaltung interpretiert werden, bleibt diese Erscheinungsform häufiger unerkannt als die hyperaktiv-impulsive Form.
- Überwiegend hyperaktiv-impulsive ADHS: Diese Form der ADHS fällt häufiger auf, da sie sich durch starke Unruhe, Zappeln, starken Redefluss oder unüberlegtes Handeln auszeichnet. Ebenso ist eine verstärkte Reizbarkeit und Impulsivität zu beobachten.
- Kombinierter oder Mischtyp: Hier treten die Kernsymptome Unaufmerksamkeit, Hyperaktivität und Impulsivität gleichermaßen auf.
Die frühere Unterscheidung in ADHS und ADS wird mit der neuen ICD-11 Klassifikation durch die Aufteilung in diese drei Erscheinungsformen ersetzt. ADS entspricht hier der überwiegend unaufmerksamen ADHS.
Die Symptome können in unterschiedlicher Ausprägung (leicht, mittel, schwer) auftreten, so dass es unerlässlich ist, sich für eine gesicherte Diagnose an Experten zu wenden. Das können beispielsweise Fachärzte für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychologen oder Kinder- und Jugendpsychotherapeuten sein, um nur ein paar Beispiele zu nennen. Wenn ihr als Eltern über eine mögliche Diagnostik nachdenkt, empfehle ich zunächst ein Gespräch mit dem Kinderarzt eures Vertrauens. Er kann euch beraten, welche Möglichkeiten ihr habt und welcher weitere Weg sinnvoll ist.
Was passiert bei ADHS im Gehirn?
In einem ADHS-Gehirn werden Reize anders übertragen als in einem neurotypischen Gehirn. Wenn du dir das Gehirn als eine Stadt mit vielen Straßen vorstellst, dann werden auf diesen Straßen Informationen von Postboten (den Botenstoffen) transportiert.
Bei ADHS gibt es im Gehirn zu wenig von diesen Botenstoffen. Dadurch kommen Informationen zu spät an oder gehen ganz verloren. Dies betrifft insbesondere den Bereich im Gehirn, der für Aufmerksamkeit, Planung und Impulskontrolle zuständig ist. So kommt es, dass Menschen mit ADHS Schwierigkeiten haben, Aufgaben zu Ende zu bringen.
Und nun stell dir vor, dass in dieser Stadt gleichzeitig überall grelle und bunte Leuchtreklamen blinken. Diese Reize, die ungefiltert auf die eh schon überlasteten Postboten einwirken, lenken diese nun zusätzlich ab. So ist Stress vorprogrammiert und man möchte nicht in der Haut der Postboten stecken. Doch genau das ist es, was ADHS-Gehirne tagtäglich leisten. Kein Wunder also, wenn Menschen mit ADHS häufig an ihre Grenzen stoßen und Verhaltensweisen zeigen, die für neurotypische Menschen nicht direkt nachvollziehbar sind.
Was ist der Auslöser für ADHS?
Die Ursachen für ADHS sind zum aktuellen Zeitpunkt noch nicht vollständig geklärt. Es gilt jedoch als sicher, dass es keinen einzelnen klaren Auslöser gibt, sondern mehrere Komponenten Einfluss haben.
Die genetische Komponente gilt inzwischen als gesichert, d. h. dass ADHS vererbt werden kann. Dies spielt wohl die größte Rolle bei den Auslösern für ADHS.
Darüber hinaus wird davon ausgegangen, dass in einem geringeren Maße auch biologische Faktoren wie Rauchen und Alkohol während der Schwangerschaft oder Geburtskomplikationen Einfluss auf eine ADHS haben können.
Ungünstige Umwelt- bzw. psychosoziale Faktoren wie familiäre Belastungen oder instabile Beziehungen gelten nicht als direkte Auslöser für ADHS. Sie können jedoch das Erscheinungsbild der ADHS stark beeinflussen und die Symptome noch verstärken. Auch die verbreitete Meinung, dass eine schlechte Erziehung mitverantwortlich für das Entstehen einer ADHS sei, ist falsch. Die Erziehung kann allerdings eine bestehende ADHS deutlich verstärken oder eben abmildern.
Ist ADHS heilbar?
ADHS ist eine neurobiologische Besonderheit und bleibt ein Leben lang. Allerdings ist es hilfreich, eine Diagnose zu bekommen. Wenn ADHS diagnostiziert ist, besteht die Möglichkeit, konkrete Maßnahmen zu ergreifen, um mit dieser Besonderheit gut leben zu können.
Die nachgewiesenermaßen wirkungsvollste Behandlung von ADHS wird durch Medikamente erreicht. Diese sind jedoch immer noch sehr umstritten, obwohl sie die Symptome in den meisten Fällen wirksam reduzieren. Doch vor einiger Zeit, als ADHS noch weniger gut erforscht war, wurde über die Medikation in den Medien sehr negativ berichtet. Eltern wurde vorgeworfen, durch die Medikamente ihre Kinder nur ruhigstellen zu wollen. Als Mutter, die selbst die Entscheidung für die Medikation ihres Kindes getroffen hat (nach ausführlicher Aufklärung durch den behandelnden Arzt), kann ich diesen Vorwurf jedoch nicht nachvollziehen.
Die Medikation ermöglicht den Betroffenen, mit weniger Einschränkungen am Leben teilzuhaben. Selbstverständlich muss die Medikation mit dem behandelnden Arzt abgestimmt sein und die Risiken ausführlich abgewogen werden. Es gibt keine Pauschallösung für alle Menschen mit ADHS. Vielmehr muss für jede Person die individuell passende Lösung gefunden werden.
Neben der medikamentösen Behandlung können Therapien oder Coaching helfen, das Leben mit ADHS so zu strukturieren und zu gestalten, dass die Einschränkungen gut abgefangen werden können. Routinen und Strukturen können die Auswirkungen ebenso abmildern wie ein förderndes Umfeld. Deshalb ist es auch für das direkte Umfeld der Betroffenen, insbesondere die Eltern und Lehrer, wichtig, sich gut über ADHS zu informieren. So können sie Möglichkeiten bieten, die Einschränkungen zu minimieren und die Stärken von ADHS zu fördern. Denn Menschen mit ADHS sind ausgesprochen kreativ, können unkonventionell denken und dadurch alternative Lösungsansätze finden und sich gut in andere Menschen hineinversetzen. Wenn das Umfeld diese Stärken fördert und gleichzeitig Strategien für die Bewältigung des Alltags unterstützt, kann ein Leben mit ADHS sehr erfüllend sein.
Ich hoffe, ich kann dir hiermit ein besseres Verständnis für ADHS vermitteln. Meine Informationen habe ich aus Büchern und empfohlenen ADHS-Seiten im Internet bezogen. Ich habe mich ausführlich über ADHS informiert, als dieses Thema in unsere Familie kam. Allerdings weise ich ausdrücklich darauf hin, dass ich keinen medizinischen oder therapeutischen Hintergrund habe.
Liebe Anja,
Danke für deinen klaren und fundierten Artikel zu ADHS. Besonders wichtig finde ich deine Darstellung der drei Formen gemäß ICD-11 – vor allem die häufig übersehene unaufmerksame Variante – und wie du auf die neurobiologische Ursache im Gehirn hinweist. In meinem Lerncoaching arbeite ich ebenfalls viel mit Struktur und Routinen – das stärkt und unterstützt Betroffene auf ihrem Weg.
Viele Grüße
Anja
Liebe Anja,
vielen Dank für deine wertschätzenden Worte. 🥰
Herzliche Grüße
Anja