Sommer, Sonne, Ausschlafen, Freunde treffen – 6 Wochen lang konnten unsere Kinder ihre Freiheit genießen und (mehr oder weniger) selbstbestimmt leben. Doch wenn die Sommerferien vorbei sind, erleben wir plötzlich ganz andere Teenager. Sie sind müde, gereizt, lustlos und unkonzentriert. Eltern, Lehrkräfte und sogar die Jugendlichen selbst fragen sich dann oft: „Warum ist der Schulstart nach den Ferien so anstrengend?“
Besonders in der Pubertät gibt es dafür eine Reihe von Gründen. Welche das sind und wie wir Erwachsenen die Teenager in dieser Phase gut begleiten und unterstützen können, das verrate ich dir hier.
1. Schlafrhythmus in der Pubertät – weshalb frühes Aufstehen kaum gelingt
In den Ferien genießen die Jugendlichen die Freiheit, ihren Tag nach Lust und Laune zu gestalten. Viele gehen später ins Bett, schlafen länger – einige bis mittags oder später – und der gesamte Schlafrhythmus verschiebt sich nach hinten. Dafür gibt es biologische Gründe: In der Pubertät wird das Schlafhormon Melatonin, das uns müde macht und auf den Schlaf vorbereitet, ca. 2 Stunden später ausgeschüttet als bei Erwachsenen. Die Jugendlichen sind also zu dem Zeitpunkt, wenn ihre Eltern schlafen gehen, noch gar nicht müde. Dadurch schlafen sie morgens auch länger.
In den Ferien leben die Jugendlichen also nach ihrem tatsächlichen Biorhythmus. Wenn die Schule dann wieder beginnt, werden sie plötzlich wieder in den schulischen Zeitplan katapultiert, der mit ihrem biologischen Zeitplan kollidiert. Abends können die Jugendlichen nicht einschlafen und morgens kommen sie nicht aus dem Bett.
Der daraus entstehende permanente Schlafmangel ist mit einem dauerhaften Jetlag vergleichbar und schlägt sich direkt in fehlender Motivation, mangelnder Konzentration und schlechter Stimmung nieder.
2. Vom Ferienmodus zum Schulalltag: Die schwierige Umstellung für Teenager
Sechs Wochen lang bestimmen die Jugendlichen in weiten Teilen selbst, wie sie ihren Tag verbringen. Ob Treffen mit Freunden, Hobbys, Reisen oder einfach Ausschlafen – die Ferien stehen für Selbstbestimmung. Und Selbstbestimmung ist ein wichtiger Aspekt in der Pubertät, wenn es darum geht, sich langsam von den Eltern zu lösen.
Mit dem ersten Schultag kehrt plötzlich der strukturierte Alltag zurück: klingelnder Wecker, feste Stundenpläne, Hausaufgaben und Leistungsdruck. Dieser abrupte Wechsel fühlt sich für viele wie ein harter Bruch an. Das ist eine enorme Umstellung. Routinen, die in der Schulzeit für Stabilität und Orientierung sorgen, wurden in den Ferien oft bewusst unterbrochen. Wenn sie jetzt wieder eingeführt werden, braucht das Zeit – und kostet Energie.
3. Schulstart und Leistungsdruck – wenn Noten wieder den Alltag bestimmen
Während in den Ferien keine Noten und Klassenarbeiten drohen, beginnt mit dem Schulstart auch die Rückkehr in ein System voller Erwartungen. Tests, Hausaufgaben, Präsentationen – plötzlich wird wieder gemessen, bewertet und verglichen.
Viele Jugendliche empfinden diesen Druck als Stress. Gerade in der Pubertät, wenn das Selbstbewusstsein ohnehin schwankt, können Notenängste oder das Gefühl, „nicht genug zu sein“, deutlich stärker belasten. Der Leistungsdruck ist für manche wie ein Schatten, der schon in den ersten Tagen nach den Ferien über ihnen hängt.
4. Soziale Dynamiken: neue Rollen, alte Konflikte, viel Unsicherheit
Die Schulzeit ist nicht nur ein Ort des Lernens, sondern auch ein soziales Experimentierfeld. Nach sechs Wochen Pause müssen Jugendliche ihre Rolle in der Klassengemeinschaft oft neu finden. Freundschaften können sich verschoben haben, Konflikte flammen wieder auf oder die Unsicherheit wächst, ob man „noch dazugehört“.
Gerade in der Pubertät, wenn die Suche nach Zugehörigkeit eine zentrale Entwicklungsaufgabe ist, können diese sozialen Fragen anstrengender wirken als jedes Matheheft. Der erste Schultag ist daher nicht nur eine Rückkehr ins Klassenzimmer, sondern auch ein sensibler Moment in der sozialen Landschaft der Jugendlichen.
5. Null Bock nach den Ferien? Warum Motivation beim Schulstart oft fehlt
In den Ferien überwiegt das, was Freude macht – Freizeit, Erlebnisse, Hobbys, Chillen. Schule dagegen ist für viele Jugendliche mit Pflichten, Langeweile oder gar Überforderung verbunden. Der Kontrast könnte kaum größer sein.
Es ist also nicht verwunderlich, dass der Motivationsschub am Schuljahresbeginn oft ausbleibt. Statt Vorfreude auf neue Themen dominiert bei vielen das Gefühl, aus einem angenehmen Modus in einen anstrengenden Pflichtalltag katapultiert zu werden.
6. Pubertät und Gefühle – warum der Schulstart schnell zur Belastungsprobe wird
Die Pubertät ist eine Zeit emotionaler Umbrüche. Jugendliche reagieren sensibler auf Kritik und Stress und erleben Stimmungsschwankungen intensiver. Der Schulstart bündelt viele Stressfaktoren: Schlafmangel, Leistungsdruck, soziale Unsicherheiten und der Verlust an Freiheit. Da kann die Kritik eines Lehrers oder eine unglückliche Bemerkung eines Klassenkameraden das emotionale Pulverfass zum Explodieren bringen.
Kein Wunder also, dass manche Jugendliche durch die enorme Umstellung nach den Sommerferien besonders gereizt, traurig oder erschöpft wirken.
7. Von TikTok zurück ins Klassenzimmer: Mediengewohnheiten und Konzentration
Nicht zu unterschätzen ist auch der Medienkonsum. In den Ferien steigt die Zeit am Handy, an der Konsole oder vor dem PC bei vielen deutlich an. Mit dem Schulstart muss die Aufmerksamkeit plötzlich von digitalen Welten auf Schulbücher, Lehrer und Mitschüler umschalten. Dieser Wechsel kostet kognitive Energie und verstärkt das Gefühl, überfordert zu sein.
8. Schulstart für neurodivergente Jugendliche – Das Potenzieren der Herausforderungen
Der Schuljahresbeginn ist für alle Jugendliche eine besondere Herausforderung. Doch für neurodivergente Jugendliche potenzieren sich die Herausforderungen noch. Da ihr Gehirn Reize anders verarbeitet als neurotypische Gehirne, sind Übergänge für viele von ihnen besonders schwierig und führen schnell zu Reizüberflutung. Deshalb ist es für sie wichtig, vorab schon so viele Informationen wie möglich zu der neuen Situation (Lehrer, Mitschüler etc.) zu haben, um Überraschungen am ersten Schultag zu minimieren.
Fazit: Mehr Verständnis, weniger Druck
Der schwierige Start nach den Sommerferien ist kein Zeichen von Faulheit oder mangelndem Willen. Er ist vielmehr das Ergebnis einer Kombination aus biologischen, psychologischen und sozialen Faktoren. Jugendliche in der Pubertät stehen in dieser Zeit vor besonderen Herausforderungen – ihr Körper, ihre Emotionen und ihre sozialen Beziehungen befinden sich im Umbruch.
Was hilft? Vor allem Verständnis, Geduld und schrittweise Rückkehr zur Routine. Eltern können durch frühzeitige Anpassung der Schlafzeiten, feste Rituale oder kleine Motivationshilfen unterstützen.
Neurodivergenten Jugendlichen kann es darüber hinaus helfen, den Schulstart vorab schon durchzusprechen. Je mehr Informationen die Jugendlichen vorab haben, umso besser können sie sich darauf einstellen. Vielen neurodivergenten Menschen fällt es schwer, mit unerwarteten Situationen zurecht zu kommen.
Schulen wiederum können den Einstieg durch sanftere Übergänge, mehr Raum für soziales Ankommen und weniger Leistungsdruck erleichtern.
Dass die Übergangsphase von den Sommerferien zum Schulbeginn insbesondere für Jugendliche in der Pubertät schwierig ist, ist ganz natürlich. Wenn wir dies verstehen und sie verständnisvoll und geduldig begleiten, können sie den Neustart besser meistern – und langfristig sogar lernen, mit Veränderungen gesünder umzugehen.
👉 Teile diesen Artikel gern mit anderen Eltern oder Lehrkräften, die das gerade auch erleben – damit mehr Erwachsene die Hintergründe kennen und Jugendlichen der Start leichter gemacht wird.